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Samstag, 11. Mai 2024

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Reinhold Messner: „Natur ist absichtslos, sie ist nur da“

Reinhold Messner, Bergsteiger-Ikone, meint, es liegt nicht nur an der Politik, sondern in unser aller Hand, der Klimaveränderung entgegen zu wirken. Im Gespräch mit ihm.

Herr Messner, wo erreiche ich Sie gerade?
MESSNER: In Sulden am Ortler, auf fast 2000 Meter Seehöhe.

Sie wohnen nicht in Ihrer Burg Juval?
Im Frühjahr ziehen wir vielleicht wieder auf die Burg. Es ist im Winter sehr umständlich dort, auch weil man sehr weit hinauf zu gehen hat. In Sulden ist es zwar kälter, aber sonst wesentlich angenehmer.

„FEHLER MACHT NUR DER MENSCH“
Ein Thema, das jeden bewegt, ist der Klimawandel. Wir haben der Natur viel angetan, sie rächt sich jetzt dafür?
Zuerst eine Korrektur: Die Natur rächt sich nie. Die Natur ist absichtslos. Die Natur ist nur da. Die Fehler im Zusammenhang zwischen Natur und Mensch macht nur der Mensch. Der Klimawandel ist da, hervorgerufen durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe in den vergangenen 120 Jahren. Zwei Beispiele, wie komplexhaft das ist: Wenn das Eis am Nordpol, in der Arktis, schmilzt, wird der Golfstrom aufhören. Der Jetstream hat sich auch für den Himayala bereits so verschoben, dass Expeditionen gezwungen sind, andere zeitliche Perioden zu wählen.

„ZIRBEN STEIGEN HÖHER UND HÖHER“
Wie wirkt sich die Veränderung auf unsere Berge aus?

Das spüren wir am Berg am deutlichsten. Die Zirbenbäume steigen schon nach oben, höher, höher und höher – weil das Klima das erlaubt. Viel mehr als früher ist zu sehen, wie der Permafrost schwindet und die Hänge herunterkommen, ganze Brocken kommen herunter. Es ist entschieden wärmer geworden, die Jahreszeiten verschieben sich.

„MITLEID MIT DEN POLITIKERN“
Glauben Sie, dass diese Herausforderungen von der Menschheit beziehungsweise Politik zu lösen sind?
Die Politik tut nur das, was in der Demokratie das Volk will. Also, wenn wir wirklich radikal umschalten würden, Auto fahren verbieten zum Beispiel – das ist natürlich nicht denkbar –, dann bricht unsere Wirtschaft zusammen. Dann hätten wir in Europa Zustände wie in der Steinzeit. Für die Politiker habe ich im Moment sogar Mitleid, weil sie da nicht herauskommen. Die Menschen wollen ja essen, ein Haus haben, sie wollen leben, sie wollen auch Ferien machen.

„WIR MÜSSEN ES SELBER BEGREIFEN“
Das heißt, wir alle sind gefordert?
Ja, aber die Menschen verstehen nicht, dass das Ganze auch in ihrer privaten Hand liegt. Es geht darum, auf sich zu setzen, einfach zu lernen und auf vieles, das nicht gebraucht wird, zu verzichten – etwa auf übermäßige Wärme im Haus, auf unnötige Autofahrten und Etliches mehr. Wir müssen selber begreifen, dass wir nicht mehr soviel verbrauchen dürfen wie früher. Im Buch „Sinnbilder“ habe ich dazu meine Gedanken geäußert.

„ZIELE WAHRSCHEINLICH UNERREICHBAR“
Wie soll das den Menschen deutlich gemacht werden?
Natürlich hat man zu spät angefangen zu diskutieren und Regeln zu schaffen. Die Klimaziele werden wahrscheinlich nicht erreicht werden können. Schimpfen allein ist zu wenig, und zu sagen, die Politik tut nichts, genügt nicht. Sollte in der Klimafrage die Politik auf radikal machen, dann wird jene Partei, die das vorschlägt, sicher nicht mehr gewählt werden.

„TOURISTEN – EIN POSITIVEr WERT“
In den Alpen gibt es einen teils sehr aggressiven Tourismus. Wo sehen Sie Grenzen für den Tourismus?
Ich bin nicht gegen den Tourismus in den Alpen, der Tourismus muss nur besser kanalisiert werden. Wie alle Alpenländer, bietet ja auch Österreich seine Landschaft und Dienstleistungen an. Touristen haben auch einen positiven Wert, weil sie die Alpenbevölkerung – immerhin 16 Millionen Menschen – im Gebirge erhalten. Ohne den Tourismus gäbe es die Berg- und viele Talbauern nicht mehr. Doch sollte man diese Gäste alpenweit besser verteilen und neue Überlegungen anstellen, mit welchen Verkehrsmitteln die Gäste herangebracht werden könnten.

„Für die Politiker habe ich im Moment sogar Mitleid, weil sie da nicht herauskommen.“

Reinhold Messner

„MIT WASSERKRAFT WEITERMACHEN“
Wie sehen Sie die Windräder und die Wasserkraft?
Wenn wir die Alpen – das gilt auch für Kärnten – mit Windrädern verbauen, werden die Gäste mit diesen Landschaftsbildern keine große Freude haben. Sie kommen ja auch, um die Landschaft zu genießen, diese Berglandschaft aufzusaugen und sich darin zu betätigen. Wo es vertretbar ist, sollte meiner Meinung nach mit Wasserkraft nachhaltig und langfristig weitergemacht werden.
„MESSNER MOUNTAIN HERITAGE
Wie schauen Ihre aktuellen Pläne aus?
Nach den rund 50 Büchern, die ich geschrieben habe, beschäftige ich mich jetzt mit einem Start-up. Es nennt sich „Messner Mountain Heritage“, mein Erbe. Damit habe ich auch vor, dass ich mit Filmen, die ich gemacht habe, und mit Vorträgen um die Welt gehe, um jungen Menschen zu erklären, was Abenteuer ist und was Sport.

„OFFENER, FROHER MENSCHENSCHLAG“
Wenn Sie heute von Südtirol zu uns schauen – wie nehmen Sie Kärnten beziehungsweise die Region Villach wahr?
In jungen Jahren, also vor allem in den siebziger Jahren, war ich sehr oft in Villach. Weil ich die seinerzeitige Ausgrenzung der Juden angesprochen habe, war ich beim Alpenverein nicht unbedingt ein lieb Kind. Doch die Villacher haben mich gerade deshalb öfters eingeladen. Die Kärntner sind den Südtirolern nicht unähnlich. Also, von meiner Erfahrung her sind die Villacher ein sehr offener, froher Menschenschlag.

AM 11. OKTOBER IN VILLACH
Sie kommen heuer am 11. Oktober mit Ihrer Live-Show „Nanga Parbat – Mein Schicksalsberg“ auch ins Congress Center Villach. Was können sich die Kärntnerinnen und Kärntner erwarten?
Ich nenne den Vortrag nicht „Schicksalsberg“, sondern „Mein Schlüsselberg“, und erzähle die ganze Geschichte um den Nanga Parbat, wo ich für mein Leben die wesentlichsten Erfahrungen gemacht habe – bis hin zu Nahtodeserfahrungen. Das Publikum erfährt auch, wie sich der Alpinismus seit 1850 von den Alpen heraus in den Himalaya hinein entwickelt hat.

GROSSES IN SECHS MUSEEN
Sie haben mehrere Museen ins Leben gerufen. Welche Botschaften wollen Sie mit Ihren Museen vermitteln?
In den Museen erzähle ich unter anderem, wie sich die Begegnung Mensch–Berg in der Psyche des Menschen ausdrückt. Unsere Grundaussage stammt vom großen englischen Schriftsteller William Blake, einem Romantiker, der gesagt hat, wenn Mensch und Berg sich begegnen, kann Großes geschehen. Und dieses Große habe ich erzählend, nicht lehrend, in sechs Museen hinein verpackt.

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Sie wohnen nicht in Ihrer Burg Juval?
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„FEHLER MACHT NUR DER MENSCH“
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Zuerst eine Korrektur: Die Natur rächt sich nie. Die Natur ist absichtslos. Die Natur ist nur da. Die Fehler im Zusammenhang zwischen Natur und Mensch macht nur der Mensch. Der Klimawandel ist da, hervorgerufen durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe in den vergangenen 120 Jahren. Zwei Beispiele, wie komplexhaft das ist: Wenn das Eis am Nordpol, in der Arktis, schmilzt, wird der Golfstrom aufhören. Der Jetstream hat sich auch für den Himayala bereits so verschoben, dass Expeditionen gezwungen sind, andere zeitliche Perioden zu wählen.

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Wie wirkt sich die Veränderung auf unsere Berge aus?

Das spüren wir am Berg am deutlichsten. Die Zirbenbäume steigen schon nach oben, höher, höher und höher – weil das Klima das erlaubt. Viel mehr als früher ist zu sehen, wie der Permafrost schwindet und die Hänge herunterkommen, ganze Brocken kommen herunter. Es ist entschieden wärmer geworden, die Jahreszeiten verschieben sich.

„MITLEID MIT DEN POLITIKERN“
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Die Politik tut nur das, was in der Demokratie das Volk will. Also, wenn wir wirklich radikal umschalten würden, Auto fahren verbieten zum Beispiel – das ist natürlich nicht denkbar –, dann bricht unsere Wirtschaft zusammen. Dann hätten wir in Europa Zustände wie in der Steinzeit. Für die Politiker habe ich im Moment sogar Mitleid, weil sie da nicht herauskommen. Die Menschen wollen ja essen, ein Haus haben, sie wollen leben, sie wollen auch Ferien machen.

„WIR MÜSSEN ES SELBER BEGREIFEN“
Das heißt, wir alle sind gefordert?
Ja, aber die Menschen verstehen nicht, dass das Ganze auch in ihrer privaten Hand liegt. Es geht darum, auf sich zu setzen, einfach zu lernen und auf vieles, das nicht gebraucht wird, zu verzichten – etwa auf übermäßige Wärme im Haus, auf unnötige Autofahrten und Etliches mehr. Wir müssen selber begreifen, dass wir nicht mehr soviel verbrauchen dürfen wie früher. Im Buch „Sinnbilder“ habe ich dazu meine Gedanken geäußert.

„ZIELE WAHRSCHEINLICH UNERREICHBAR“
Wie soll das den Menschen deutlich gemacht werden?
Natürlich hat man zu spät angefangen zu diskutieren und Regeln zu schaffen. Die Klimaziele werden wahrscheinlich nicht erreicht werden können. Schimpfen allein ist zu wenig, und zu sagen, die Politik tut nichts, genügt nicht. Sollte in der Klimafrage die Politik auf radikal machen, dann wird jene Partei, die das vorschlägt, sicher nicht mehr gewählt werden.

„TOURISTEN – EIN POSITIVEr WERT“
In den Alpen gibt es einen teils sehr aggressiven Tourismus. Wo sehen Sie Grenzen für den Tourismus?
Ich bin nicht gegen den Tourismus in den Alpen, der Tourismus muss nur besser kanalisiert werden. Wie alle Alpenländer, bietet ja auch Österreich seine Landschaft und Dienstleistungen an. Touristen haben auch einen positiven Wert, weil sie die Alpenbevölkerung – immerhin 16 Millionen Menschen – im Gebirge erhalten. Ohne den Tourismus gäbe es die Berg- und viele Talbauern nicht mehr. Doch sollte man diese Gäste alpenweit besser verteilen und neue Überlegungen anstellen, mit welchen Verkehrsmitteln die Gäste herangebracht werden könnten.

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Reinhold Messner

„MIT WASSERKRAFT WEITERMACHEN“
Wie sehen Sie die Windräder und die Wasserkraft?
Wenn wir die Alpen – das gilt auch für Kärnten – mit Windrädern verbauen, werden die Gäste mit diesen Landschaftsbildern keine große Freude haben. Sie kommen ja auch, um die Landschaft zu genießen, diese Berglandschaft aufzusaugen und sich darin zu betätigen. Wo es vertretbar ist, sollte meiner Meinung nach mit Wasserkraft nachhaltig und langfristig weitergemacht werden.
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Wie schauen Ihre aktuellen Pläne aus?
Nach den rund 50 Büchern, die ich geschrieben habe, beschäftige ich mich jetzt mit einem Start-up. Es nennt sich „Messner Mountain Heritage“, mein Erbe. Damit habe ich auch vor, dass ich mit Filmen, die ich gemacht habe, und mit Vorträgen um die Welt gehe, um jungen Menschen zu erklären, was Abenteuer ist und was Sport.

„OFFENER, FROHER MENSCHENSCHLAG“
Wenn Sie heute von Südtirol zu uns schauen – wie nehmen Sie Kärnten beziehungsweise die Region Villach wahr?
In jungen Jahren, also vor allem in den siebziger Jahren, war ich sehr oft in Villach. Weil ich die seinerzeitige Ausgrenzung der Juden angesprochen habe, war ich beim Alpenverein nicht unbedingt ein lieb Kind. Doch die Villacher haben mich gerade deshalb öfters eingeladen. Die Kärntner sind den Südtirolern nicht unähnlich. Also, von meiner Erfahrung her sind die Villacher ein sehr offener, froher Menschenschlag.

AM 11. OKTOBER IN VILLACH
Sie kommen heuer am 11. Oktober mit Ihrer Live-Show „Nanga Parbat – Mein Schicksalsberg“ auch ins Congress Center Villach. Was können sich die Kärntnerinnen und Kärntner erwarten?
Ich nenne den Vortrag nicht „Schicksalsberg“, sondern „Mein Schlüsselberg“, und erzähle die ganze Geschichte um den Nanga Parbat, wo ich für mein Leben die wesentlichsten Erfahrungen gemacht habe – bis hin zu Nahtodeserfahrungen. Das Publikum erfährt auch, wie sich der Alpinismus seit 1850 von den Alpen heraus in den Himalaya hinein entwickelt hat.

GROSSES IN SECHS MUSEEN
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In den Museen erzähle ich unter anderem, wie sich die Begegnung Mensch–Berg in der Psyche des Menschen ausdrückt. Unsere Grundaussage stammt vom großen englischen Schriftsteller William Blake, einem Romantiker, der gesagt hat, wenn Mensch und Berg sich begegnen, kann Großes geschehen. Und dieses Große habe ich erzählend, nicht lehrend, in sechs Museen hinein verpackt.

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