Wie das Sommerwetter wird, kann kaum vorausgesagt werden. Die Ursachen für die massive Klimaveränderung sind jedoch längst bekannt. Im Gespräch mit dem bekannten Villacher Meteorologen, Klimatologen und Wetterexperten Mag. Gerhard Hohenwarter (BioSphere, Selbstständiger).
Was sind die wichtigsten wissenschaftlichen Belege für den Klimawandel, den wir heute beobachten?
HOHENWARTER: Das sind natürlich die bereits vorhandenen Messdaten. Da haben wir, was den Raum Villach betrifft, großes Glück, vor allem mit dem Dobratsch, der ältesten Gebirgsmessstation in den Ostalpen. Die Messreihe reicht bis 1851 zurück. Deshalb können wir lückenlos knapp 175 Jahre die klimatische Entwicklung beobachten, und die belegt für die letzten Jahrzehnte eindeutig die Klimaveränderung.
VERKEHR, LANDWIRTSCHAFT, INDUSTRIE
Welche menschlichen Aktivitäten tragen am stärksten zum Klimawandel bei?
In Österreich ist es derzeit mit rund einem Drittel der Verkehr. Ein sehr hoher Anteil – so aktuelle Studien – entfällt auf die Landwirtschaft mit ihrer teils extremen Viehzucht. Aber auch die anhaltenden Rodungen des Regenwaldes in Südamerika sind dafür global ausschlaggebend. Dazu kommt die Wirtschaft mit ihrer Industrie.
Wo sieht man unübersehbar die Klimaveränderungen?
An den Gletscher ist es unübersehbar. An ihrem Rückgang ist deutlich abzulesen, dass es wärmer wird. Sehr auffallend sind auch die steigenden Wassertemperaturen unserer Seen. Der Wörthersee ist früher kaum über 24 Grad hinausgekommen, in den vergangenen Jahren ging es auf 28 Grad zu. Der Weißensee erreichte immer Sommer oft keine 20 Grad, heute sind 24 Grad fast schon normal.
„KRATZEN AN UNSERER ERNÄHRUNGSSICHERHEIT“
Inwiefern unterscheiden sich die Ursachen des Klimawandels von natürlichen Klimaschwankungen?
Es hat schon seit jeher kältere und wärmere Phasen gegeben, also natürliche Schwankungen. Was aber jetzt anders und neu ist, ist die Rasanz der Wetterumstellungen. Erdgeschichtlich waren so rasche Veränderungen in so großem Ausmaß selten. Allerdings gehen wir mit unserem Wirtschaften um unsere Ernährungssicherheit immer noch von einem Klima vor der Jahrtausendwende aus – obwohl wir uns von diesem Klima wegbewegen und sich die Nahrungsanbauflächen kaum ändern. Mit künstlichen Mitteln wird versucht, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, kratzen aber damit selbst an unserer Ernährungssicherheit.
Können Sie erklären, warum die globale Erwärmung zu extremen Wetterereignissen wie Stürmen, Dürren oder Überschwemmungen führt?
Zweierlei sind hier ausschlaggebend: Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit als kältere aufnehmen. Das heißt, es verdunstet mehr Wasser. Dadurch trocknen Böden rascher aus. Durch das Mehr an Feuchtigkeit in der Luft kann dann der Regen wesentlich intensiver ausfallen. Studien zeigen, dass es in Kärnten im Sommer bereits um drei Grad wärmer ist, als in den 1970er oder 1980er Jahren. Das heißt ebenso, dass bei drei Grad die Luft schon um die 20 Prozent mehr an Feuchtigkeit aufweist, wodurch die Starkniederschlagsereignisse um bis zu 15 Prozent zunehmen können.
„GEHT SCHON UMS EINGEMACHTE“
Wie schnell verändern sich die Klimabedingungen, und was bedeutet das für die Zukunft unseres Planeten, speziell für den Alpenraum?
In einem halben Menschenleben ist es jetzt schon um drei Grad wärmer geworden. So eine Veränderung hat es in Jahrhunderten nicht gegeben. Die Trockenheit trifft die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und auch die Trinkwasserversorgung. Es geht da schon wirklich ums Eingemachte. Locker wird teils gesagt: Kärnten wird wie die Toskana. Braune Wiesen von Anfang mai bis Ende September. Wollen wir das? Weil andere Feldfrüchte oder anderes Getreide angebaut werden muss, wird sich die Landwirtschaft verändern. Der Wintertourismus wird schrumpfen, der Sommertourismus länger.
MUT ZU VERÄNDERUNG
Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen oder zu verlangsamen?
Veränderung. Doch der Mut dafür fehlt noch. Die wichtigsten Maßnahmen wären die massive Reduktion der Verbrennung von fossilen Treibstoffen, Kohle, Öl, Gas. Das ist essentiell, aber nur zu schaffen, wenn ich auch gleichzeitig den Konsum reduziere. Solange wir in einem Wirtschaftssystem gefangen sind, das ausschließlich auf Wachstum beruht, schaffen wir das nicht. Wir müssen bei uns selbst anfangen. Dazu braucht es eben Mut zu persönlicher Veränderung, vor allem auch in der Politik, die wirksame Wege vorgeben sollte. Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Puzzleteil.
„SCHON FÜNF NACH ZWÖLF“
Was den Klimawandel betrifft, gibt es noch Hoffnung?
Eigentlich ist es schon fünf nach zwölf, aber ich kann ich noch immer etwas bewegen und Möglichkeiten zur Veränderung nutzen. Stellen wir uns vor, wir haben eine Stadt, die nicht auf den Individualverkehr ausgelegt ist, sondern auf Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr, wie etwa so hippe Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam. Wir hätten in Verbindung mit weniger Konsum mehr Platz, mehr Grün, mehr Zeit, auch mehr Geld. Dass die Wirtschaft kracht, glaube ich nicht. Es gäbe andere Wege des Wachstums und die Möglichkeit, jetzt etwas verändern. Ich als Einzelindividuum, aber auch die Politik müssen den Mut dafür aufbringen.