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Donnerstag, 25. April 2024

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„Unsere Kinder haben ein Recht auf Kindsein!“

Zur besonderen Wahrung der Interessen von Kindern und Jugendlichen wurde vor rund 30 Jahren auch in Kärnten eine weisungsfreie Kinder- und Jugendanwaltschaft eingerichtet. Über Präventionsarbeit, Probleme und Pandemie im Gespräch mit der Kärntner Kinder- und Jugendanwältin Mag.a Astrid Liebhauser.

Wie erklären Sie die Hauptaufgaben der Kinder- und Jugendanwaltschaft Kärnten einem Außenstehenden?
LIEBHAUSER: Wir sind eine Ombudsstelle des Landes Kärnten mit der Aufgabe, unserer Zielgruppe, also Kindern und Jugendlichen sowie ihren Bezugspersonen, beratend, auch individuell für Einzelgespräche und ebenso bei Behördenterminen begleitend zur Verfügung zu stehen. Natürlich kostenlos. Darüber hinaus verstehen wir uns auch als Sprachrohr für Kinder und Jugendliche und thematisieren Missstände, wenn wir solche wahrnehmen. Wir arbeiten immer wieder an der Verbesserung der Rahmenbedingungen mit. Unser roter Faden ist dabei die UN-Kinderrechtskonvention.

„EHER ZUGENOMMEN“
In Kärnten leben rund 92.000 Kinder und Jugendliche. Davon sind rund 22.000 von Gewalt in der Familie betroffen. In welche Richtung tendieren diese Zahlen?
Das sind die Umfrageergebnisse vor der Pandemie. Den Prognosen nach ist jedoch zu befürchten, dass Gewalt – trotz vorangegangener Gewaltschutzkampagne – nicht abgenommen, sondern eher zugenommen hat.

Welche Folgen können Gewalt an Kindern und Jugendlichen nach sich ziehen?
Die Folgen können sehr vielfältig sein. Es kommt darauf an, von welchen Formen der Gewalt wir sprechen. Je länger Gewalt andauert, umso massiver und schwerwiegender können sich die Folgen auf Kinder und Jugendliche auswirken.

„NOCH SEHR VIEL PLATZ NACH OBEN“
Die „Kärntner Stimme der Kinder“ geht 2023 ins 30. Bestandsjahr. Inwieweit hat sich in dieser Zeit die Arbeit für kinder- und jugendrelevante Themen verändert?

Seit 1989 hat sich nach Verankerung des Gewaltverbots gerade im Bereich des Familienrechts, aber auch bei der Kinder- und Jugendhilfe enorm viel getan. Gerade der Gedanke der Partizipation von Kindern und Jugendlichen hat sich erst etablieren müssen, vom Wollen ins Handeln. Natürlich ist auch heute noch immer sehr viel Platz nach oben, aber da sind wir am Weg. Es bedarf eines ständigen Hinschauens und Nachbesserns, damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern die Rechte der Kinder auch tatsächlich umgesetzt werden.

DAS RECHT AUF KINDSEIN
Was sollten Eltern über Kinderrechte wissen?
Grundsätzlich sollte Eltern bekannt sein, dass Kinder nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte haben. Angesprochen sind in dieser Hinsicht genauso Pädagoginnen und Pädagogen sowie weitere Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen. Auch der Nachbar, die Nachbarin oder jeder Erwachsene sollten wissen, dass Kinder neben vielem anderen das Recht haben, etwa spielen oder Kindsein zu dürfen.

BEI „FRÜHCHEN“ NOCH VIEL UNWISSENHEIT
Reagieren Sie erst, wenn Sie mit Problemen konfrontiert werden oder leisten Sie auch Präventionsarbeit?
Ein großes Präventionsprojekt war zuletzt die kärntenweite Gewaltschutzkampagne, die wir gemeinsam mit der Fachstelle Kinderschutz durchgeführt haben. Ein weiteres wichtiges Thema, dem wir uns schwerpunktmäßig gewidmet haben, sind die so genannten Frühchen, also jene Kinder, die zu früh geboren wurden. Einzelfälle zeigen, dass hier noch sehr viel Unwissenheit vorhanden ist. Wenn diese Kinder etwa in die Schule kommen, haben etliche doch noch mehr oder weniger sichtbare Entwicklungsrückstände. Wir haben in hohem Maße dazu beigetragen, dass hier Bewusstsein dafür gebildet werden konnte, wie man besser, adäquater auf diese Kinder eingehen kann, damit ihnen auf ihrem Bildungsweg und ihrer Entwicklung möglichst viel Raum geschaffen wird.

„ELTERN TUN DABEI NICHTS GUTES“
Jugendliche und Handys: Was würden Sie Eltern empfehlen?
Hier raten wir, den Zugang der Kinder zum Handy erst so spät als möglich zu gestatten. Ich erkenne keinen Mehrwert darin, wenn schon Kindergarten- und Volksschulkinder ständig ein internetfähiges Handy bei sich tragen müssen. Eltern sollte bewusst sein, dass sie – eine Kontrolle erscheint da kaum möglich – nichts Gutes tun, wenn sie ihre Kinder so früh und nur zum Zeitvertreib in diese virtuelle Welt entlassen.

FRANZ WURST – KAUM NOCH VORSTELLBAR
Im Namen von Wissenschaft und Kindeswohl – Stichwort Franz Wurst – kam es in heilpädagogischen Institutionen nahezu ein halbes Jahrhundert lang zu unbeschreiblichen Missbrauchsfällen. Ist so etwas heute noch vorstellbar?
Was damals in der Ära Wurst passiert ist, ist derzeit nicht vorstellbar. Obwohl das ein einmaliges Phänomen war, müssen wir achtsam sein, dass sich so ein System – wie auch in der Forschung dargelegt – nicht wieder verselbstständigen kann. Kontrolle von außen ist wichtig und notwendig. Das ist im Sinne einer qualitätsvollen Arbeit für die Betreuung junger Menschen auch eine wesentliche Erkenntnis der Forschungsarbeit.

Was hat bei Ihnen zuletzt bei Ihrer Arbeit Freude ausgelöst?
Es sind für uns immer wieder schöne Erlebnisse, wenn wir Familien gut und erfolgreich begleiten und dazu beitragen können, dass die Sorgen und Probleme der Kinder und Jugendlichen wieder kleiner werden.

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Zur besonderen Wahrung der Interessen von Kindern und Jugendlichen wurde vor rund 30 Jahren auch in Kärnten eine weisungsfreie Kinder- und Jugendanwaltschaft eingerichtet. Über Präventionsarbeit, Probleme und Pandemie im Gespräch mit der Kärntner Kinder- und Jugendanwältin Mag.a Astrid Liebhauser.

Wie erklären Sie die Hauptaufgaben der Kinder- und Jugendanwaltschaft Kärnten einem Außenstehenden?
LIEBHAUSER: Wir sind eine Ombudsstelle des Landes Kärnten mit der Aufgabe, unserer Zielgruppe, also Kindern und Jugendlichen sowie ihren Bezugspersonen, beratend, auch individuell für Einzelgespräche und ebenso bei Behördenterminen begleitend zur Verfügung zu stehen. Natürlich kostenlos. Darüber hinaus verstehen wir uns auch als Sprachrohr für Kinder und Jugendliche und thematisieren Missstände, wenn wir solche wahrnehmen. Wir arbeiten immer wieder an der Verbesserung der Rahmenbedingungen mit. Unser roter Faden ist dabei die UN-Kinderrechtskonvention.

„EHER ZUGENOMMEN“
In Kärnten leben rund 92.000 Kinder und Jugendliche. Davon sind rund 22.000 von Gewalt in der Familie betroffen. In welche Richtung tendieren diese Zahlen?
Das sind die Umfrageergebnisse vor der Pandemie. Den Prognosen nach ist jedoch zu befürchten, dass Gewalt – trotz vorangegangener Gewaltschutzkampagne – nicht abgenommen, sondern eher zugenommen hat.

Welche Folgen können Gewalt an Kindern und Jugendlichen nach sich ziehen?
Die Folgen können sehr vielfältig sein. Es kommt darauf an, von welchen Formen der Gewalt wir sprechen. Je länger Gewalt andauert, umso massiver und schwerwiegender können sich die Folgen auf Kinder und Jugendliche auswirken.

„NOCH SEHR VIEL PLATZ NACH OBEN“
Die „Kärntner Stimme der Kinder“ geht 2023 ins 30. Bestandsjahr. Inwieweit hat sich in dieser Zeit die Arbeit für kinder- und jugendrelevante Themen verändert?

Seit 1989 hat sich nach Verankerung des Gewaltverbots gerade im Bereich des Familienrechts, aber auch bei der Kinder- und Jugendhilfe enorm viel getan. Gerade der Gedanke der Partizipation von Kindern und Jugendlichen hat sich erst etablieren müssen, vom Wollen ins Handeln. Natürlich ist auch heute noch immer sehr viel Platz nach oben, aber da sind wir am Weg. Es bedarf eines ständigen Hinschauens und Nachbesserns, damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern die Rechte der Kinder auch tatsächlich umgesetzt werden.

DAS RECHT AUF KINDSEIN
Was sollten Eltern über Kinderrechte wissen?
Grundsätzlich sollte Eltern bekannt sein, dass Kinder nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte haben. Angesprochen sind in dieser Hinsicht genauso Pädagoginnen und Pädagogen sowie weitere Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen. Auch der Nachbar, die Nachbarin oder jeder Erwachsene sollten wissen, dass Kinder neben vielem anderen das Recht haben, etwa spielen oder Kindsein zu dürfen.

BEI „FRÜHCHEN“ NOCH VIEL UNWISSENHEIT
Reagieren Sie erst, wenn Sie mit Problemen konfrontiert werden oder leisten Sie auch Präventionsarbeit?
Ein großes Präventionsprojekt war zuletzt die kärntenweite Gewaltschutzkampagne, die wir gemeinsam mit der Fachstelle Kinderschutz durchgeführt haben. Ein weiteres wichtiges Thema, dem wir uns schwerpunktmäßig gewidmet haben, sind die so genannten Frühchen, also jene Kinder, die zu früh geboren wurden. Einzelfälle zeigen, dass hier noch sehr viel Unwissenheit vorhanden ist. Wenn diese Kinder etwa in die Schule kommen, haben etliche doch noch mehr oder weniger sichtbare Entwicklungsrückstände. Wir haben in hohem Maße dazu beigetragen, dass hier Bewusstsein dafür gebildet werden konnte, wie man besser, adäquater auf diese Kinder eingehen kann, damit ihnen auf ihrem Bildungsweg und ihrer Entwicklung möglichst viel Raum geschaffen wird.

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Hier raten wir, den Zugang der Kinder zum Handy erst so spät als möglich zu gestatten. Ich erkenne keinen Mehrwert darin, wenn schon Kindergarten- und Volksschulkinder ständig ein internetfähiges Handy bei sich tragen müssen. Eltern sollte bewusst sein, dass sie – eine Kontrolle erscheint da kaum möglich – nichts Gutes tun, wenn sie ihre Kinder so früh und nur zum Zeitvertreib in diese virtuelle Welt entlassen.

FRANZ WURST – KAUM NOCH VORSTELLBAR
Im Namen von Wissenschaft und Kindeswohl – Stichwort Franz Wurst – kam es in heilpädagogischen Institutionen nahezu ein halbes Jahrhundert lang zu unbeschreiblichen Missbrauchsfällen. Ist so etwas heute noch vorstellbar?
Was damals in der Ära Wurst passiert ist, ist derzeit nicht vorstellbar. Obwohl das ein einmaliges Phänomen war, müssen wir achtsam sein, dass sich so ein System – wie auch in der Forschung dargelegt – nicht wieder verselbstständigen kann. Kontrolle von außen ist wichtig und notwendig. Das ist im Sinne einer qualitätsvollen Arbeit für die Betreuung junger Menschen auch eine wesentliche Erkenntnis der Forschungsarbeit.

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