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Samstag, 20. April 2024

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„Leistung soll sich in Österreich wieder lohnen“

Erfahrungen aus der Corona-Krise, Impfpflicht, die Entwicklung Kärntens, speziell Villachs, die Prioritäten der Bundesregierung, der Klimawandel, was Sorge und Freude bereitet. Im Interview mit Bundeskanzler Karl Nehammer.

Welche Erfahrungen ziehen Sie für Österreich bis jetzt aus der Corona-Krise?
NEHAMMER: Österreich hat die Pandemie bisher einigermaßen gut bewältigt, aber es sind natürlich auch Defizite sichtbar geworden. Daraus müssen wir für die Zukunft lernen. Wir haben gesehen, wie flexibel das Virus ist, wie oft es sich verändert. Dem entsprechend müssen auch die Maßnahmen zur Bekämpfung flexibel sein. Das betrifft sowohl die unterschiedlichen Varianten als auch wissenschaftliche Erkenntnisse beim Schutz. Ein Beispiel: Am Beginn der Pandemie dachten wir alle, wir können uns mit Face Shields gegen Übertragung schützen. Aus heutiger Perspektive ist das absurd. Aber wir lernen dazu und auch die Wissenschaft entwickelt sich rasend schnell. Niemand hätte 2020 gedacht, dass wir einen Impfstoff haben werden. Heute haben wir ihn und müssen darüber nachdenken, wie wir die Menschen dazu bringen, ihn auch zu benutzen.

„EINZIGER WEG AUS DER PANDEMIE“
Die Impfpflicht beherbergt großes Konfliktpotenzial. Was versprechen Sie sich von der Impfpflicht?
Die Impfung erfüllt zwei Ziele: Einerseits bietet sie einen individuellen Schutz vor schweren Verläufen – dafür ist jeder selbst verantwortlich. Es geht aber auch um den Schutz unseres Gesundheitssystems. Niemand von uns hat sich gewünscht, dass es die Impfpflicht braucht. Leider konnten wir trotz aller Bemühungen noch nicht genügend Menschen von der Schutzwirkung der Impfung überzeugen, deshalb braucht es diese Verpflichtung. Denn die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie.

„MEILENSTEIN DER INDUSTRIEGESCHICHTE“
Wie sehen Sie aus dem Blickwinkel der Bundeshauptstadt die Entwicklung Kärntens, insbesondere des Standortes Villach nach der Infineon-Milliardeninvestition?
Das ist die wichtigste und größte Investition seit Jahrzehnten in dieser Region, ein Meilenstein, nicht nur für Infineon, sondern auch in der europäischen Industriegeschichte. Wir sind stolz darauf, dass Österreich als Wirtschafts- und Technologiestandort die Rahmenbedingungen für eine Investition dieser Größenordnung bieten kann. Es wurden aber nicht nur 1,6 Milliarden Euro in Österreich investiert, sondern direkt 400 neue Arbeitsplätze am Standort und indirekt tausende Jobs in Österreich geschaffen.

„MASSNAHMEN, DIE JEDER SPÜRT“
Sie wurden am 6. Dezember 2021, also vor etwas mehr als drei Monaten, als Bundeskanzler der Republik Österreich angelobt. Was konnte seit Ihrem Amtsantritt erreicht werden?
Das war keine leichte Übung, das war zu Beginn eine wirklich schwierige Zeit. Die Menschen haben aber eine berechtigte Erwartungshaltung und die heißt: Diese Regierung soll für das Land arbeiten. Das tun wir vom ersten Tag weg. Das betrifft nicht nur den Kampf gegen die Pandemie, sondern auch nötige Reformen. Deshalb haben wir die ökosoziale Steuerreform auf den Weg gebracht. Wir haben etwas gegen die steigenden Preise und Energiekosten unternommen, Menschen mit niedrigen Einkommen bekommen – in Kärnten – bis zu 650 Euro an Unterstützung, um die Teuerung abzufedern. Wir erhöhen auch den Familienbonus auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr. Das sind Maßnahmen, die jeder einzelne Bürger spürt.

„LEISTUNG SOLL SICH WIEDER LOHNEN“
Welche Prioritäten wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen?
Was Österreich braucht, ist eine neue Balance zwischen Leistungsgesellschaft und Sozialstaat. Leistung soll sich in Österreich wieder lohnen. Es soll wieder möglich sein, sich durch Fleiß und Arbeit Eigentum zu erwirtschaften und ein gutes Leben zu führen. Jeder muss dazu einen Beitrag leisten und jeder, der wirklich Hilfe braucht, soll diese auch bekommen. Das erreichen wir nur durch steuerliche Entlastung einerseits und treffsichere Sozialpolitik andererseits. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Pflegesystem, aber auch pflegende Angehörige alles haben, was sie brauchen, um ihre Aufgabe zu erfüllen und den Pflegepatienten ein würdevolles Leben in einem guten Umfeld zu ermöglichen. Am Ende meiner Amtszeit möchte ich sagen können: Ich habe alles dafür getan, Österreich gerechter zu machen.

„ICH WÜRDE LÜGEN …“
Was bereitet Ihnen derzeit Sorgen?
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass die Pandemie mir keine Sorgen macht. Ich glaube, dass sie jeden von uns belastet. Faktum ist: Diese Pandemie und ihre Auswirkungen werden uns noch länger beschäftigen. Faktum ist aber auch: Wir dürfen und werden nicht vergessen, dass es auch noch andere wichtige Themenfelder gibt. Die Teuerungen habe ich erwähnt, die Pflegereform ebenso. Auch in der Bildung oder auch beim Wirtschaftsstandort haben wir noch viel zu tun, das gleiche gilt für den Klimaschutz. Auch in der Arbeitsmarktpolitik werden wir Maßnahmen setzen, wir leiden inzwischen unter einem großen Mangel an Fachkräften. Das schadet nicht nur unserer Wirtschaft, sondern auch unseren Sozialsystemen. Gesellschaftlich halte ich die durch Corona entstandenen Gräben für ein großes Problem. Hier sind wir alle gefordert, aufeinander zuzugehen, anstatt diese Gräben zu vergrößern.

Was hat bei Ihnen zuletzt Freude ausgelöst?
Die größte Freude für mich war, als ich meine Familie nach mehr als einer Woche in Quarantäne wieder sehen konnte. Politisch habe ich mich gefreut, dass wir die Steuerreform und den Teuerungsausgleich zustande gebracht haben. Das waren beide sehr große Brocken.

„AM LIEBSTEN MIT MEINER FAMILIE“
Wenn Sie einmal für ein paar Stunden Freizeit genießen können – was machen Sie da am liebsten?
Die Freizeit, die übrigbleibt, versuche ich bewusst zu nutzen: Am liebsten natürlich gemeinsam mit meiner Familie und unserem Hund „Fanny“. Abseits davon ist Sport und Bewegung im Freien für mich ein guter Ausgleich zu langen Tagen und teilweise auch Nächten im Büro.

„VIEL FÖRDERUNG FÜR DEN UMSTIEG“
Das Thema „Klimawandel“ wird zunehmend heißer. Was macht unsere Bundesregierung fürs Klima?
Die Steuerreform ist viel mehr als nur eine Entlastung. Sie hat viele große ökologische Weichenstellungen in sich, die allesamt dem Kampf gegen den Klimawandel dienen. Darüber hinaus investieren wir massiv in erneuerbare Energie. Noch nie hat es dafür so große und vielfältige finanzielle Unterstützung gegeben. Wenn Sie heute ihren alten Ölkessel aus dem Keller schmeißen wollen, dann gibt es wirklich viel Förderung für den Umstieg auf ein erneuerbares Heizsystem. Und wir bauen den öffentlichen Verkehr auch in den ländlichen Regionen aus. Man muss nicht überall mit dem Auto hinfahren, wenn es für viele Strecken auch gute Bahnverbindungen gibt.

„VIELLEICHT AUCH BALD IN VILLACH“
Wann führt Sie wieder ein Termin nach Kärnten?
Ich komme immer gerne nach Kärnten, zuletzt in den Weihnachtsfeiertagen am Katschberg zum Schifahren mit meiner Familie. Ich freue mich aber auch schon darauf, wenn beruflich Bundesländertage wieder möglich sind. Die Omikron-Welle ist am Abklingen, wir werden das Land Schritt für Schritt wieder öffnen können. Spätestens dann werde ich auch wieder in Kärnten sein. Vielleicht ja auch bald in Villach.

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„EINZIGER WEG AUS DER PANDEMIE“
Die Impfpflicht beherbergt großes Konfliktpotenzial. Was versprechen Sie sich von der Impfpflicht?
Die Impfung erfüllt zwei Ziele: Einerseits bietet sie einen individuellen Schutz vor schweren Verläufen – dafür ist jeder selbst verantwortlich. Es geht aber auch um den Schutz unseres Gesundheitssystems. Niemand von uns hat sich gewünscht, dass es die Impfpflicht braucht. Leider konnten wir trotz aller Bemühungen noch nicht genügend Menschen von der Schutzwirkung der Impfung überzeugen, deshalb braucht es diese Verpflichtung. Denn die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie.

„MEILENSTEIN DER INDUSTRIEGESCHICHTE“
Wie sehen Sie aus dem Blickwinkel der Bundeshauptstadt die Entwicklung Kärntens, insbesondere des Standortes Villach nach der Infineon-Milliardeninvestition?
Das ist die wichtigste und größte Investition seit Jahrzehnten in dieser Region, ein Meilenstein, nicht nur für Infineon, sondern auch in der europäischen Industriegeschichte. Wir sind stolz darauf, dass Österreich als Wirtschafts- und Technologiestandort die Rahmenbedingungen für eine Investition dieser Größenordnung bieten kann. Es wurden aber nicht nur 1,6 Milliarden Euro in Österreich investiert, sondern direkt 400 neue Arbeitsplätze am Standort und indirekt tausende Jobs in Österreich geschaffen.

„MASSNAHMEN, DIE JEDER SPÜRT“
Sie wurden am 6. Dezember 2021, also vor etwas mehr als drei Monaten, als Bundeskanzler der Republik Österreich angelobt. Was konnte seit Ihrem Amtsantritt erreicht werden?
Das war keine leichte Übung, das war zu Beginn eine wirklich schwierige Zeit. Die Menschen haben aber eine berechtigte Erwartungshaltung und die heißt: Diese Regierung soll für das Land arbeiten. Das tun wir vom ersten Tag weg. Das betrifft nicht nur den Kampf gegen die Pandemie, sondern auch nötige Reformen. Deshalb haben wir die ökosoziale Steuerreform auf den Weg gebracht. Wir haben etwas gegen die steigenden Preise und Energiekosten unternommen, Menschen mit niedrigen Einkommen bekommen – in Kärnten – bis zu 650 Euro an Unterstützung, um die Teuerung abzufedern. Wir erhöhen auch den Familienbonus auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr. Das sind Maßnahmen, die jeder einzelne Bürger spürt.

„LEISTUNG SOLL SICH WIEDER LOHNEN“
Welche Prioritäten wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen?
Was Österreich braucht, ist eine neue Balance zwischen Leistungsgesellschaft und Sozialstaat. Leistung soll sich in Österreich wieder lohnen. Es soll wieder möglich sein, sich durch Fleiß und Arbeit Eigentum zu erwirtschaften und ein gutes Leben zu führen. Jeder muss dazu einen Beitrag leisten und jeder, der wirklich Hilfe braucht, soll diese auch bekommen. Das erreichen wir nur durch steuerliche Entlastung einerseits und treffsichere Sozialpolitik andererseits. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Pflegesystem, aber auch pflegende Angehörige alles haben, was sie brauchen, um ihre Aufgabe zu erfüllen und den Pflegepatienten ein würdevolles Leben in einem guten Umfeld zu ermöglichen. Am Ende meiner Amtszeit möchte ich sagen können: Ich habe alles dafür getan, Österreich gerechter zu machen.

„ICH WÜRDE LÜGEN …“
Was bereitet Ihnen derzeit Sorgen?
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass die Pandemie mir keine Sorgen macht. Ich glaube, dass sie jeden von uns belastet. Faktum ist: Diese Pandemie und ihre Auswirkungen werden uns noch länger beschäftigen. Faktum ist aber auch: Wir dürfen und werden nicht vergessen, dass es auch noch andere wichtige Themenfelder gibt. Die Teuerungen habe ich erwähnt, die Pflegereform ebenso. Auch in der Bildung oder auch beim Wirtschaftsstandort haben wir noch viel zu tun, das gleiche gilt für den Klimaschutz. Auch in der Arbeitsmarktpolitik werden wir Maßnahmen setzen, wir leiden inzwischen unter einem großen Mangel an Fachkräften. Das schadet nicht nur unserer Wirtschaft, sondern auch unseren Sozialsystemen. Gesellschaftlich halte ich die durch Corona entstandenen Gräben für ein großes Problem. Hier sind wir alle gefordert, aufeinander zuzugehen, anstatt diese Gräben zu vergrößern.

Was hat bei Ihnen zuletzt Freude ausgelöst?
Die größte Freude für mich war, als ich meine Familie nach mehr als einer Woche in Quarantäne wieder sehen konnte. Politisch habe ich mich gefreut, dass wir die Steuerreform und den Teuerungsausgleich zustande gebracht haben. Das waren beide sehr große Brocken.

„AM LIEBSTEN MIT MEINER FAMILIE“
Wenn Sie einmal für ein paar Stunden Freizeit genießen können – was machen Sie da am liebsten?
Die Freizeit, die übrigbleibt, versuche ich bewusst zu nutzen: Am liebsten natürlich gemeinsam mit meiner Familie und unserem Hund „Fanny“. Abseits davon ist Sport und Bewegung im Freien für mich ein guter Ausgleich zu langen Tagen und teilweise auch Nächten im Büro.

„VIEL FÖRDERUNG FÜR DEN UMSTIEG“
Das Thema „Klimawandel“ wird zunehmend heißer. Was macht unsere Bundesregierung fürs Klima?
Die Steuerreform ist viel mehr als nur eine Entlastung. Sie hat viele große ökologische Weichenstellungen in sich, die allesamt dem Kampf gegen den Klimawandel dienen. Darüber hinaus investieren wir massiv in erneuerbare Energie. Noch nie hat es dafür so große und vielfältige finanzielle Unterstützung gegeben. Wenn Sie heute ihren alten Ölkessel aus dem Keller schmeißen wollen, dann gibt es wirklich viel Förderung für den Umstieg auf ein erneuerbares Heizsystem. Und wir bauen den öffentlichen Verkehr auch in den ländlichen Regionen aus. Man muss nicht überall mit dem Auto hinfahren, wenn es für viele Strecken auch gute Bahnverbindungen gibt.

„VIELLEICHT AUCH BALD IN VILLACH“
Wann führt Sie wieder ein Termin nach Kärnten?
Ich komme immer gerne nach Kärnten, zuletzt in den Weihnachtsfeiertagen am Katschberg zum Schifahren mit meiner Familie. Ich freue mich aber auch schon darauf, wenn beruflich Bundesländertage wieder möglich sind. Die Omikron-Welle ist am Abklingen, wir werden das Land Schritt für Schritt wieder öffnen können. Spätestens dann werde ich auch wieder in Kärnten sein. Vielleicht ja auch bald in Villach.

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