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Mittwoch, 24. April 2024

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Kaiser: „Wir haben keine zweite Welt im Keller“

Lehren aus der Corona-Krise? Wie kann die Krise gemeistert werden? Die Rolle des Bundes. UNO-Auszeichnung für Familienwerte. Politische Ziele. Im Gespräch mit Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser.

Corona wird uns noch lange beschäftigen. Welche Lehren ziehen Sie bis jetzt aus dieser Krise?
KAISER: Die Corona-Pandemie werden wir nur dann wirklich besiegt haben, wenn weltweit genügend Impfseren und eine entsprechende Herdenimmunität vorhanden sind. Wir werden auch lernen müssen, mit dem Virus und seiner Bedrohung zu leben. Der Sozialstaat hat sich bewährt. Das ist für mich eine der wichtigsten Lehren. Deshalb möchte ich eine politische Diskussion darüber auslösen, den Sozialstaat weiter zu adaptieren, zu modernisieren und dass er in seiner Grundbedeutung in der Bundesverfassung festgeschrieben wird. Dazu werden wir – als weitere wichtige Erkenntnis – industrielle Bereiche im Hinblick auf eine rechtzeitige und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Anti-Virus-Seren, deren Forschung, Entwicklung und Produktion oder Schutzbekleidung wieder europäisieren müssen.

„RECHTSANSPRUCH STATT ALMOSEN“
Die Bundesregierung ist für Einmalzahlungen an Beschäftigungslose. Sie sprechen sich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes aus. Weshalb?

In der Sozialpolitik sollten wir prinzipiell dem Grundsatz folgen: Rechtsanspruch anstatt Almosen. Etwas Fixiertes mit Rechtsanspruch – über den Prozentsatz kann diskutiert werden – ist mir allzeit lieber, als veränderbare und von politischen Konstellationen abhängige Einmalzahlungen.

LOCKDOWN: 1,7 MILLIARDEN – PRO WOCHE
Das heimtückische Virus ist wahrscheinlich noch lange nicht besiegt. Weitere Wellen sind möglich. Wie können wir die Krise aus Ihrer Sicht meistern?
Zuerst einmal, indem jeder für sich Verantwortung übernimmt: Hygiene, Masken und, wo geboten, körperliche Distanz halten. Damit schütze ich auch andere. Größtmöglichen, derzeit bekannten Schutz bieten die Impfungen. Das heißt, in absehbarer Zeit eine hohe Durchimpfungsrate zu erreichen, nach dem Motto „Die Älteren und Gefährdetsten zuerst“. Bis dahin: testen, testen, testen. Der Bundespolitik ist vorzuhalten, dass sie hier – anstatt kostenloser Wohnzimmertests – offenbar bewusst auf sehr hochschwelliges Testen setzt und damit weitere Lockdowns riskiert. Ein Lockdown kostet pro Woche 1,7 Milliarden Euro. Schnelltests nur zwei bis drei Euro.

„DAS IMPFEN ENTKRAMPFTER SEHEN“
Was sagen Sie zu jenen, die sich nicht impfen lassen wollen? Soll für Impfverweigerer das Leben komplizierter werden?
Ich spreche mich deutlich dafür aus, dass die Impfung freiwillig bleiben soll. Es wird aber sicher Änderungen geben, die gar nicht von Staats wegen kommen müssen. Etwa bei den Fluglinien oder in kritischen Berufen, in denen man nahe an möglichen Infektionen tätig sein muss. Bei dem, was wir derzeit weltweit erleben, liegt auch bei jedem einzelnen eine sehr hohe Verantwortlichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und „Impfen“ etwas entkrampfter zu sehen. Es stellt nahezu niemand die Schutzimpfungen am Beginn eines Lebens infrage, festgehalten auch im Eltern-Kind-Pass.

„BUND NICHT AUS DER VERANTWORTUNG“
Etliche Gemeinden stehen vor einem Finanzkollaps. Was unternimmt das Land, ergänzend zum Bund, um die Einkommensausfälle zu kompensieren?
Mit Gemeindereferent Daniel Fellner und Finanzreferentin Gaby Schaunig wurden für unsere Gemeinden bereits zwei Unterstützungspakete geschnürt. Der Bund fördert die Gemeinden bei kommunalpolitischen Investitionen zwar mit 50 Prozent, doch weil die Mehrzahl der Gemeinden die restlichen 50 Prozent kaum aufbringen kann, schießt das Land zur Projektförderung 30 Prozent dazu. Erst mit diesem Paket wird es den meisten Gemeinden möglich, die gesamten Investitionsmittel vom Bund abzuholen. Das sind für Kärnten 67 Millionen Euro. Ein zweiter Schritt erfolgt über die vom Bund zugesagten Bedarfsmittel, die wir mit Sofortüberweisungen den Gemeinden zu 75 Prozent ausschütten. Trotz allem kann der Bund nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Wegen gesunkener Bundesertragsanteile und Kommunalsteuerausfällen ist der Bund gefordert, den Gemeinden zur Finanzierung ihrer Haushalte entsprechende Entlastungen zukommen zu lassen.

„LÄSST SICH NICHT BESSER ADELN“
Die Vereinten Nationen haben Kärnten mit dem „Award für die Förderung von Familienwerten“ ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Kärnten?
Das ist eine international sehr hochwertige Auszeichnung, die uns zuteil wurde. Es freut deswegen sosehr, weil es eine Gesamtleistung aller Regierungsmitglieder ist, basierend auf der von Gesundheitsreferentin Beate Prettner eingebrachten „Venice declaration“. Unser Bemühen, Kärnten zur kinder- und familienfreundlichsten Region der Europäischen Union machen zu wollen, lässt sich nicht besser adeln, als mit dieser globalen Auszeichnung.

„KEINE ZWEITE WELT IM KELLER“
Worin bestehen Ihre politischen Ziele, was muss sich in Österreich, in Kärnten, ändern?
Wichtig ist, dass wir uns ständig weiterentwickeln, verbessern, mit Schwerpunkten, auf mehreren Säulen, auf dem das Haus Kärnten aufgebaut ist. Nachdem wir in einer sich rapide verändernden Lern- und Wissensgesellschaft leben, ist es der Bildungsbereich, der sich rapide weiterentwickelt. Daher bin ich stolz, dass sich Kärnten zu einem Land weiterentwickelt, in dem ständig Verbesserungen stattfinden. Wir brauchen eine vernünftige Kombination aus Industrie, Wirtschaft, Versorgungsketten, Infrastruktur, aber auch den nötigen Raum zum Seele-baumeln-Lassen, zum Innehalten, zur Bewahrung und Verantwortlichkeit, Enkelverantwortlichkeit, gegenüber den nächsten Generationen. Im nachhaltigen Sinne sind wir deshalb angehalten, ganz bewusst so leben, als ob wir nur diese eine Welt und keine zweite im Keller haben.

„MITTEN UNTER DEN VORZEIGEREGIONEN“
Dem aktuellen Bericht der Austrian Business Agency ist zu entnehmen, dass Kärnten 2020 mit 28 Betriebsansiedlungen hinter Wien und Niederösterreich österreichweit auf dem ausgezeichneten dritten Platz landete. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Mit unserer Betriebsansiedelungs- und -beteiligungsgesellschaft, vielen Instrumentarien, einer sehr weit nach vorne blickenden Politik und mit einem Standortmarketing haben wir Kärnten sichtbarer gemacht. Es ist uns erfolgreich gelungen, nach dem Hypo-Desaster aus der Existenzkrise herauszukommen. Ein objektiver Indikator dafür ist das jeweilige Rating. Wir waren auf dem Niveau eines desolaten afrikanischen Staates. Heute ist Kärnten wirtschaftlich stabil und findet sich mit einem der höchsten Rankings mitten unter den Vorzeigeregionen Europas. Auch die enorme Infineon-Investition spricht hier für sich. Kärnten hat sich als großartiger Produktions- und Lebensstandort gegen bedeutende Mitbewerber durchgesetzt. Auch Weltoffenheit, Europaorientierung und die Atmosphäre des Miteinanders tun unserem Land gut.

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KAISER: Die Corona-Pandemie werden wir nur dann wirklich besiegt haben, wenn weltweit genügend Impfseren und eine entsprechende Herdenimmunität vorhanden sind. Wir werden auch lernen müssen, mit dem Virus und seiner Bedrohung zu leben. Der Sozialstaat hat sich bewährt. Das ist für mich eine der wichtigsten Lehren. Deshalb möchte ich eine politische Diskussion darüber auslösen, den Sozialstaat weiter zu adaptieren, zu modernisieren und dass er in seiner Grundbedeutung in der Bundesverfassung festgeschrieben wird. Dazu werden wir – als weitere wichtige Erkenntnis – industrielle Bereiche im Hinblick auf eine rechtzeitige und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Anti-Virus-Seren, deren Forschung, Entwicklung und Produktion oder Schutzbekleidung wieder europäisieren müssen.

„RECHTSANSPRUCH STATT ALMOSEN“
Die Bundesregierung ist für Einmalzahlungen an Beschäftigungslose. Sie sprechen sich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes aus. Weshalb?

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LOCKDOWN: 1,7 MILLIARDEN – PRO WOCHE
Das heimtückische Virus ist wahrscheinlich noch lange nicht besiegt. Weitere Wellen sind möglich. Wie können wir die Krise aus Ihrer Sicht meistern?
Zuerst einmal, indem jeder für sich Verantwortung übernimmt: Hygiene, Masken und, wo geboten, körperliche Distanz halten. Damit schütze ich auch andere. Größtmöglichen, derzeit bekannten Schutz bieten die Impfungen. Das heißt, in absehbarer Zeit eine hohe Durchimpfungsrate zu erreichen, nach dem Motto „Die Älteren und Gefährdetsten zuerst“. Bis dahin: testen, testen, testen. Der Bundespolitik ist vorzuhalten, dass sie hier – anstatt kostenloser Wohnzimmertests – offenbar bewusst auf sehr hochschwelliges Testen setzt und damit weitere Lockdowns riskiert. Ein Lockdown kostet pro Woche 1,7 Milliarden Euro. Schnelltests nur zwei bis drei Euro.

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„BUND NICHT AUS DER VERANTWORTUNG“
Etliche Gemeinden stehen vor einem Finanzkollaps. Was unternimmt das Land, ergänzend zum Bund, um die Einkommensausfälle zu kompensieren?
Mit Gemeindereferent Daniel Fellner und Finanzreferentin Gaby Schaunig wurden für unsere Gemeinden bereits zwei Unterstützungspakete geschnürt. Der Bund fördert die Gemeinden bei kommunalpolitischen Investitionen zwar mit 50 Prozent, doch weil die Mehrzahl der Gemeinden die restlichen 50 Prozent kaum aufbringen kann, schießt das Land zur Projektförderung 30 Prozent dazu. Erst mit diesem Paket wird es den meisten Gemeinden möglich, die gesamten Investitionsmittel vom Bund abzuholen. Das sind für Kärnten 67 Millionen Euro. Ein zweiter Schritt erfolgt über die vom Bund zugesagten Bedarfsmittel, die wir mit Sofortüberweisungen den Gemeinden zu 75 Prozent ausschütten. Trotz allem kann der Bund nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Wegen gesunkener Bundesertragsanteile und Kommunalsteuerausfällen ist der Bund gefordert, den Gemeinden zur Finanzierung ihrer Haushalte entsprechende Entlastungen zukommen zu lassen.

„LÄSST SICH NICHT BESSER ADELN“
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„KEINE ZWEITE WELT IM KELLER“
Worin bestehen Ihre politischen Ziele, was muss sich in Österreich, in Kärnten, ändern?
Wichtig ist, dass wir uns ständig weiterentwickeln, verbessern, mit Schwerpunkten, auf mehreren Säulen, auf dem das Haus Kärnten aufgebaut ist. Nachdem wir in einer sich rapide verändernden Lern- und Wissensgesellschaft leben, ist es der Bildungsbereich, der sich rapide weiterentwickelt. Daher bin ich stolz, dass sich Kärnten zu einem Land weiterentwickelt, in dem ständig Verbesserungen stattfinden. Wir brauchen eine vernünftige Kombination aus Industrie, Wirtschaft, Versorgungsketten, Infrastruktur, aber auch den nötigen Raum zum Seele-baumeln-Lassen, zum Innehalten, zur Bewahrung und Verantwortlichkeit, Enkelverantwortlichkeit, gegenüber den nächsten Generationen. Im nachhaltigen Sinne sind wir deshalb angehalten, ganz bewusst so leben, als ob wir nur diese eine Welt und keine zweite im Keller haben.

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Dem aktuellen Bericht der Austrian Business Agency ist zu entnehmen, dass Kärnten 2020 mit 28 Betriebsansiedlungen hinter Wien und Niederösterreich österreichweit auf dem ausgezeichneten dritten Platz landete. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
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