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Donnerstag, 25. April 2024

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„Bei Rodungen haben wir ganz genau abzuwägen …“

Gestresste Bäume, die Folgen des Klimawandels, gefährdeter Schutzwald, Rodungs­druck – der Wald wird bunter. Im Gespräch mit dem gebürtigen Gitschtaler und Villacher Bezirksforstinspektor DDipl.-Ing. Dr. Thomas Holzfeind (31).

Sie betreuen mit Ihrem Team in den Bezirken Villach-Stadt und -Land rund 83.000 Hektar Wald, die mehr als 6000 Besitzern gehören. Welche Aufgabenbereiche und Zielvorstellungen sind damit für Sie und Ihrem Team verbunden?
HOLZFEIND: Die Aufgabenbereiche sind klar im Forstgesetz definiert. Darin sind die Nutzungen der Wälder und die Erhaltung des Waldes mit seinen Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen geregelt. Zu unseren Aufgabenbereichen zählen dabei die Überwachung der Wälder, die Erstellung von Gutachten in diversen forstlichen Angelegenheiten wie Rodungen, dem Forstwegebau, Waldteilungen oder Waldfeststellungen. Die Beratung der Waldeigentümer in sämtlichen forstlichen Angelegenheiten, aber auch ihre Unterstützung bei der Abwicklung von Fördermaßnahmen zählen ebenso dazu.

BÄUME IM STRESS
Wie geht es unserem Wald insgesamt?
Wie in ganz Österreich, leidet unser Wald natürlich unter dem Klimawandel und dem damit vermehrten Auftreten von Extremwetterereignissen. Die steigenden Jahresmitteltemperaturen begünstigen etwa die Entwicklung von Insekten. Das veränderte Niederschlagsregime mit zunehmend längeren Trockenperioden verursacht für die Bäume Stress und diese sind infolgedessen anfälliger für Schadinsekten, wie beispielsweise dem Borkenkäfer.

„NICHT GANZ ZU VERHINDERN“
Kann Schneebruch verhindert werden? Wenn ja, durch ­welche Maßnahmen?
Ganz verhindert werden kann Schneebruch sicherlich nie, doch können zumindest Maßnahmen für dessen Reduzierung gesetzt werden, vor allem im Zuge von Neu- und Wiederaufforstungen. Es geht hier darum, Mischbestände mit verschiedenen Baumarten zu begründen. Dabei ist darauf zu achten, dass die gewählten Baumarten auch für den jeweiligen Standort passend sind. Bestehenden Beständen können durch die Dickungspflege, also die Reduzierung der Stammzahl jüngerer Bäume, und mit Durchforstungen, also die Entnahme schon verwertbarer Nutzhölzer, mehr Vitalität, Stabilität und Qualität verliehen werden.

„DA GIBT ES HALT AUSNAHMEN“
In Österreich wird täglich eine Bodenfläche von 31 Fußballfeldern für Verkehr, Objekte, Infrastruktur und Freizeitzwecke „verbraucht“. Welchem Druck sind in dieser Hinsicht unsere Wälder, speziell Schutzwälder, ausgesetzt?
Es sind nicht nur Schutzwälder einem enormen Rodungsdruck ausgesetzt, sondern im Besonderen auch die Wälder in Stadtnähe. Da haben wir von der Behörde bei den jeweiligen Rodungsverfahren ganz genau abzuwägen, ob am Rodungszweck ein höheres öffentliches Interesse besteht, als jenes an der Walderhaltung. Grundsätzlich sagt ja das Forstgesetz, dass jede Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als jene der Waldkultur verboten ist. Aber es gibt da halt Ausnahmen.

„ERNST ZU NEHMENDE VERÄNDERUNGEN“
Klimawandel: Sind im Bezirk bereits ernst zu nehmende Veränderungen erkennbar?
Ja, wir beobachten – abgesehen vom Borkenkäfer – bereits sehr ernst zu nehmende Veränderungen. Der Pinienprozessionsspinner, eine mediterrane Schmetterlingsart, hat sich bereits seit mehreren Jahren in der Schütt festgesetzt, und auch die Kleine Fichtenblattwespe ist in tieferen Lagen bereits flächendeckend vorhanden. Das verursacht bei den Bäumen Stress und kann bei größerem Vorkommen zum Absterben der Bäume führen.

„DAS RISIKO STREUEN“
Wie sollen unsere Forstwirte darauf reagieren?

Reagiert kann darauf nur werden, indem man bei einer Bestandesbegründung das Risiko streut. Das heißt, es sollen mehrere Baumarten aufgeforstet werden. Der Fichtenborkenkäfer befällt ja kein Laubholz. Wichtig sind rechtzeitige und fachgerechte Pflegemaßnahmen. Vitale Bäume können sich natürlich besser gegen Schadorganismen wehren.

„DER HERBST WIRD BUNTER“
Wie wird die Vegetation in 50 Jahren ausschauen?
Der Anteil an Laubbaumarten wie Eiche oder Buche – der Wildverbiss ist dabei natürlich immer ein Thema – wird in den tieferen und mittleren Lagen zunehmen, jener der Fichte abnehmen. Das heißt, der Wald wird in 50 Jahren im Herbst bunter.

„DAS WAR FRÜHER GANZ ANDERS“
Was wünschen Sie sich als Forstexperte mit Blick in die Zukunft für die Entwicklung des Waldes?
Es ist zu wünschen, dass der Wald so bewirtschaftet wird, dass er auch für unsere nachfolgenden Generationen in einem guten Zustand erhalten bleibt. Schön wäre es auch, wenn in der Öffentlichkeit das Verständnis für den Wald und seine vielfältigen Funktionen erhöht werden könnte. Es ist leider festzustellen, dass die Bevölkerung zunehmend waldfremder wird und es auch immer mehr Eigentümer gibt, die oft kaum noch eine Verbindung zu ihrem Wald haben. Das war früher ganz anders.

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Sie betreuen mit Ihrem Team in den Bezirken Villach-Stadt und -Land rund 83.000 Hektar Wald, die mehr als 6000 Besitzern gehören. Welche Aufgabenbereiche und Zielvorstellungen sind damit für Sie und Ihrem Team verbunden?
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BÄUME IM STRESS
Wie geht es unserem Wald insgesamt?
Wie in ganz Österreich, leidet unser Wald natürlich unter dem Klimawandel und dem damit vermehrten Auftreten von Extremwetterereignissen. Die steigenden Jahresmitteltemperaturen begünstigen etwa die Entwicklung von Insekten. Das veränderte Niederschlagsregime mit zunehmend längeren Trockenperioden verursacht für die Bäume Stress und diese sind infolgedessen anfälliger für Schadinsekten, wie beispielsweise dem Borkenkäfer.

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Kann Schneebruch verhindert werden? Wenn ja, durch ­welche Maßnahmen?
Ganz verhindert werden kann Schneebruch sicherlich nie, doch können zumindest Maßnahmen für dessen Reduzierung gesetzt werden, vor allem im Zuge von Neu- und Wiederaufforstungen. Es geht hier darum, Mischbestände mit verschiedenen Baumarten zu begründen. Dabei ist darauf zu achten, dass die gewählten Baumarten auch für den jeweiligen Standort passend sind. Bestehenden Beständen können durch die Dickungspflege, also die Reduzierung der Stammzahl jüngerer Bäume, und mit Durchforstungen, also die Entnahme schon verwertbarer Nutzhölzer, mehr Vitalität, Stabilität und Qualität verliehen werden.

„DA GIBT ES HALT AUSNAHMEN“
In Österreich wird täglich eine Bodenfläche von 31 Fußballfeldern für Verkehr, Objekte, Infrastruktur und Freizeitzwecke „verbraucht“. Welchem Druck sind in dieser Hinsicht unsere Wälder, speziell Schutzwälder, ausgesetzt?
Es sind nicht nur Schutzwälder einem enormen Rodungsdruck ausgesetzt, sondern im Besonderen auch die Wälder in Stadtnähe. Da haben wir von der Behörde bei den jeweiligen Rodungsverfahren ganz genau abzuwägen, ob am Rodungszweck ein höheres öffentliches Interesse besteht, als jenes an der Walderhaltung. Grundsätzlich sagt ja das Forstgesetz, dass jede Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als jene der Waldkultur verboten ist. Aber es gibt da halt Ausnahmen.

„ERNST ZU NEHMENDE VERÄNDERUNGEN“
Klimawandel: Sind im Bezirk bereits ernst zu nehmende Veränderungen erkennbar?
Ja, wir beobachten – abgesehen vom Borkenkäfer – bereits sehr ernst zu nehmende Veränderungen. Der Pinienprozessionsspinner, eine mediterrane Schmetterlingsart, hat sich bereits seit mehreren Jahren in der Schütt festgesetzt, und auch die Kleine Fichtenblattwespe ist in tieferen Lagen bereits flächendeckend vorhanden. Das verursacht bei den Bäumen Stress und kann bei größerem Vorkommen zum Absterben der Bäume führen.

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Reagiert kann darauf nur werden, indem man bei einer Bestandesbegründung das Risiko streut. Das heißt, es sollen mehrere Baumarten aufgeforstet werden. Der Fichtenborkenkäfer befällt ja kein Laubholz. Wichtig sind rechtzeitige und fachgerechte Pflegemaßnahmen. Vitale Bäume können sich natürlich besser gegen Schadorganismen wehren.

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Wie wird die Vegetation in 50 Jahren ausschauen?
Der Anteil an Laubbaumarten wie Eiche oder Buche – der Wildverbiss ist dabei natürlich immer ein Thema – wird in den tieferen und mittleren Lagen zunehmen, jener der Fichte abnehmen. Das heißt, der Wald wird in 50 Jahren im Herbst bunter.

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Es ist zu wünschen, dass der Wald so bewirtschaftet wird, dass er auch für unsere nachfolgenden Generationen in einem guten Zustand erhalten bleibt. Schön wäre es auch, wenn in der Öffentlichkeit das Verständnis für den Wald und seine vielfältigen Funktionen erhöht werden könnte. Es ist leider festzustellen, dass die Bevölkerung zunehmend waldfremder wird und es auch immer mehr Eigentümer gibt, die oft kaum noch eine Verbindung zu ihrem Wald haben. Das war früher ganz anders.

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